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Willkommen in Röhrenfurth

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Zu Kaisers Zeiten

© Dorfgemeinschaft
Röhrenfurth

800 Jahre Röhrenfurth (1982)
Geschichte und Geschichten eines Dorfes
Aktualisierte Ausgabe

Zu Kaisers Zeiten - 1871-1918
Gründung des Deutschen Reiches, Einführung der Sozialversicherung.
Die ersten Röhrenfurther Vereine.
Die "Ziegenbauern", das Leben der "geringen Liere", auch Heiteres und Besinnliches.

Die Gründung des Deutschen Reiches nach dem Sieg über Frankreich, die prunkvolle Kaiserkrönung im Schloß zu Versailles, die endlich überwundene Kleinstaaterei, all dies erzeugte eine vorher nie gekannte vaterländische Begeisterung. Voller Optimismus blickte man in die Zukunft und übersah dabei die sozialen Spannungen, die sich seit dem Beginn des "Maschinenzeitalters", vor allem in den großen Städten, aufgestaut hatten. Zahllose Menschen aus den Kleinstädten und Dörfern waren in die Fabrikstädte abgewandert, um dort das zu finden, was es auf dem Lande nicht gab: Arbeit und damit Brot für alle. Manche fanden das, was sie gesucht hatten, auch eine neue Heimat; viele andere aber konnten in der fremden Umgebung keine Wurzeln schlagen. Ein Überangebot an Arbeitskräften drückte den Lohn, Arbeitslosigkeit, Armut, teils menschenunwürdige Wohnungen, zwölf und mehr Stunden tägliche Arbeitszeit, Unterernährung, Krankheit, vor allem die Schwindsucht (Tuberkulose), waren ständige Begleiter des "Proletariats", wie man diese Menschen geringschätzig nannte.
Die ersten mühevollen Versuche zur Gründung von Selbsthilfeorganisationen, z. B. der ersten Gewerkschaften mit Unterstützungskassen, wurden mit allen Mitteln unterdrückt. Der Reichstag verabschiedete die sogenannten "Sozialistengesetze", die solche Vereinigungen verboten.
Bei den Wahlen zum Reichstag hatte zwar jeder Wahlberechtigte eine Stimme. Für das preußische Abgeordnetenhaus und die kommunalen Bereiche galt aber — bis zum Jahre 1918 — weiterhin das Dreiklassenwahlrecht. Die wahlberechtigte männliche Bevölkerung war, je nach Höhe der gezahlten Steuern, in drei Klassen eingeteilt, praktisch in Oberschicht, Mittelstand und Arbeiter, die "Arbeiter-Klasse". Die bei Wahlen abgegebenen Stimmen wogen also verschieden schwer.
Um der wachsenden Unzufriedenheit und den sozialen Mißständen ein wenig Herr zu werden und auch den "Sozialisten" entgegenzuwirken, verabschiedete der Deutsche Reichstag — auf Betreiben des Reichskanzlers Bismarck — am 18. November 1881 das Gesetz über die Einführung der Sozialversicherung. Mit ihrer Hilfe sollte den "Hilfsbedürftigen größere Sicherheit" gegeben werden. Jeder Arbeiter, der weniger als 6.66 Mark Tageslohn hatte, das war die große Mehrheit, war versichert. Im Jahre 1883 folgte dann die Krankenversicherung, 1884 die Unfallversicherung und 1889 die Invalidenversicherung. Zu diesen Versicherungen zahlte der Arbeiter 9 Mark und das Deutsche Reich 50 Mark im Jahr. Die Invalidenrente wurde vom 70ten Lebensjahr ab gezahlt und betrug 20 % des monatlichen Lohnes, durchschnittlich 15 Mark, höchstens aber 25 Mark. Erst vom Jahre 1905 an wurden auch die Familienmitglieder in die Versicherung einbezogen, nachdem der Beitrag von 2 % auf 2 1/2 % des Lohnes erhöht worden war.
Im Jahre 1882 entdeckte Dr. Robert Koch den Tuberkel-Bazillus, den Erreger der allgemein mit Schwindsucht bezeichneten Volksseuche. Doch es dauerte noch Jahrzehnte, bis diese heimtückische Krankheit gebannt war, die auch in unserem Dorfe vielen jungen Menschen das Leben gekostet hatte.

Für die Röhrenfurther waren zwei Ereignisse dieser Zeit von besonderer Bedeutung. Zum ersten die Ablösung der Huterechte im Staatsforst und zum anderen die Verkuppelung oder Flurbereinigung. (Siehe die beiden besonderen Kapitel).
Nur wenige Jahre nach dem 70er Krieg hatten einige Röhrenfurther — dem Zeitgeist folgend — drei Vereine ins Leben gerufen. In 1876 den Männergesangverein und den Kriegerverein, in 1877 den Consum-Verein. Während die beiden erstgenannten rein ideellen Zielen dienten, war der Consum-Verein gegründet worden, um den Mitgliedern, überwiegend Arbeiter, bessere, vor allem preiswertere Möglichkeiten zum Einkauf von Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs zu verschaffen. Der Verein arbeitete auf genossenschaftlicher Basis, erzielte Gewinne kamen den Mitgliedern wieder zugute. Eine für die damalige Zeit gut gedachte Einrichtung, die aber in Röhrenfurth nie den erwarteten Zulauf hatte, mit Ausnahme einer kurzen Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Mitte der 60er Jahre wurde die Filiale geschlossen.
Der Kriegerverein — nach 1933 in "Reichskriegerbund-Kyffhäuser" umbenannt — überlebte den ersten, aber nicht den zweiten Weltkrieg. (In 1943 aufgelöst, das Vermögen fiel der NSV zu). Gegründet hatten ihn Teilnehmer des Krieges 1870/71 als patriotischen Traditionsverein, der die soldatischen Tugenden pflegte, bei den nationalen Gedenktagen mitwirkte, so bei Kaisers Geburtstag und den Sedan-Gedenktagen. Nach 1918 trat der Verein kaum noch in Erscheinung, es sei denn, ein verstorbenes Mitglied wurde mit Trauermärschen und der mit einem Trauerflor versehenen Fahne auf seinem Weg zur letzten Ruhe geleitet. Seine Fahne, die ein besonderes Zeitdokument darstellt, ist nicht auffindbar, obwohl sich ein früheres Mitglied, Karl Nödel (Unterdorf 3) um ihre Wiederbeschaffung sehr bemüht hat.
Der Männergesangverein, von Förster August Seeger und dem Lehrer Pflüger in 1876 gegründet, überdauerte alle Fährnisse und hat, heute als gemischter Chor singend, berechtigte Chancen auch noch die Jahrtausendwende zu erleben. (Siehe besondere Chronik).
Im Jahre 1882 schrieb ein Landwirt alle Kosten für den Bau seines zweistöckigen Fachwerkhauses auf. Er bezahlte insgesamt 3.370,50 Mark, einschließlich der Pflasterung des Hofes und des Stalles. Der Sparherd mit Wasserschiff hatte 46 Mark gekostet, das Glas in die Fenster 16,50 Mark, die Zimmerarbeiten 400 Mark, die Tapeten 30 Mark, der Maler erhielt für tapezieren und anstreichen 81,50 Mark, der Firnis und die Farbe dazu kosteten 80 Mark, das Holz — Eiche und Tanne — für das Fachwerk, das Dachgebälk und die Zwischendecken steht mit insgesamt 754 Mark in dieser Aufstellung. Für 48 Mark Schnaps und Bier sowie für 60 Mark Spetzerei und Fleisch hatten die Handwerker und Bauarbeiter während des Bauens und zur "Hebekirmes" verzehrt. Leider sind keine Stundenlöhne vermerkt, so daß ein Vergleich z. B. mit Brot, Fleisch oder sonstigen Gegenständen, nicht möglich ist.
Die von Riedesel besaßen um diese Zeit (1892), verstreut in der gesamten Röhrenfurther Gemarkung, noch 6,7 ha Ackerland, 2,2 ha Wiesen — darunter die Herrenwiese mit 1,9 ha und 3 "Pflanzenörter". Die Herrenwiese kaufte später die Gemeinde und stellte sie dem jeweiligen Halter des Gemeinde-Bullen zur kostenlosen Nutzung zur Verfügung, daher auch der Name "Ossenwesse".
Die Einwohnerzahl unseres Dorfes hatte im Laufe eines Jahrhunderts um rd. 140 Personen zugenommen und war auf 529 im Jahre 1895 angewachsen, zehn Jahre später waren es 566 und zu Beginn des Krieges im Jahre 1914 611. Aus den Tagelöhnern waren Arbeiter geworden, die in den Kasseler Fabriken, im Steinbruch auf der Hünenburg, bei Melsunger Handwerksbetrieben, bei der Eisenbahn als "Rottenarbeiter" oder als Waldarbeiter ihr Brot verdienten. Die Feldarbeit auf dem eigenen, kleinen Stück Land, die Hilfe bei den Bauern als Gegenleistung für die Bestellung des eigenen Ackers, die Sorge um den Haushalt und die vielen Kinder ruhten auf den Schultern der Frauen. Aber auch für die Männer gab es nach der Rückkehr von der Arbeitsstelle noch keinen Feierabend. Erst die Dunkelheit beendete die Arbeit. Fast jeder Arbeiter besaß ein Stückchen Land, hielt ein Schwein oder zwei Ziegen, ein paar Hühner und wenn möglich noch einige Gänse und Hasen. Ein neuer "landwirtschaftlicher Stand" hatte sich entwickelt, die "Zächenbuhren", die Ziegenbauern. Leider ließ sich die Kuh des kleinen Mannes nicht vor den Wagen spannen. Man hat es zwar versucht, aber die Zugleistung war zu gering, besonders in unserer bergigen Gegend. Da spannte man lieber die größeren Kinder ein und sich selbst, denn ein Handwagen voll Grünfutter, am Fuldaufer oder dem Straßenrain gemäht, wog schwer, besonders wenn jemand im Oberdorfe wohnte. Jeder Feldweg, jeder Rain war für die Grasnutzung an die Ziegenhalter verpachtet, und es gab regelmäßig Streit, wenn die "Fohlendeele" verteilt wurden (Grasflächen an den Fuldaufern, die in Parzellen aufgeteilt waren).

Wie schwer und mühsam das Leben um und noch lange nach der Jahrhundertwende war, veranschaulicht die "Buchführung" eines Landwirts, der darin mit den Dorfbewohnern "abrechnete", deren Felder er bestellte. Da lesen wir:

1901 Witwe St... hier

 

Rest vom Jahre 1900

18,40

3 Fuder Mist

3,00

6 Metze (1 Metze = 4 ar) geackert

3,60

ein Schweinchen

12,00

2 Fuder Holz Hermannswand

6,00

Kartoffeln geeggt

-,50

1 Fuder Holz Hermannswand

3,00

1 Fuder Mist, 1 Metze geackert

1,60

 

---------

 

48,10

 

 

hierauf bezahlt 10 Mark

 

geschnitten 3 Metze Korn

 

geschnitten 12 Metze Hafer

 

geschnitten 3 Metze Korn

28,00

 

---------

bleiben

20,10

 

 

geschnitten 10 Metze

10,10

geschnitten 4 Metze Hafer

2,00

 

---------

Rest

8,00

 

Ein anderes Beispiel:

1903 Adam Sch... hier

 

Im Jahr 1901 bekomme ich

17,60

Frucht geschnitten hat Sch. 23 Metze

8,50

Im Jahr 1902 bekomme ich

25,90

geschnitten hat Sch. 30 Metze

11,20

Im Jahr 1903 bekomme ich

25,40

geschnitten hat Sch. 23 Metze

11,50


Wann und wie das Konto ausgeglichen wurde, ist nicht ersichtlich.

 

Für Elise Weideling, die 1901 Dienstmagd in Röhrenfurth war, lautete die Abrechnung:

Januar 1

bei den Mädchen

1,00

Januar 10

ein Paar Schuh

2,00

Januar 11

für ein Halstuch

2,00

Januar 20

für sein Vater

10,00

Februar 4

derselbe

5,00

Februar 10

Fastnacht

3,00

März

für Schuhmacher

4,50

März 22

Abschied

1,00

Juni 2

für ein Kleid

5,00

August

Schuhmacher

7,00

November 10

zur Kirmes

2,00

November 11

sein Vater

 4,00

 

 

---------

 

 

46,50

 

Lohn

90,00

 

 

---------

 

bleiben

 43,50

 

für Tuch

15,00

 

 

--------

 

 

58,50


Im Jahr darauf bekam sie 100 Mark Lohn und das Tuch, im Jahre 1903 sind auch für "Klebemarken" (Invalidenversicherung) 10,92 Mark und für Gemeindesteuer 1,30 Mark aufgeführt. Der Lohn war auf 105 Mark heraufgesetzt worden.
Frucht schneiden bedeutete, den Roggen, den Hafer, die Gerste oder den Weizen mit der Sense oder Sichel zu mähen, das Gemähte in Garben zu binden und in Hügel "aufzustellen". 30 Metze, das waren 5 Acker Getreide, eine schier endlose Fläche, vor der die Frau stand, die diese Arbeit — zusätzlich zu ihrer Hausarbeit — zu verrichten hatte. Der Ehemann konnte erst nach der Rückkehr von seiner Arbeit helfen, wenn nicht schon größere Kinder "da waren", die die Garben halten konnten.
Zum Mähen des Heu- und Grummetgrases begann der Tag bereits um 3 Uhr, denn dann "schnitt es am besten". Wer zur Arbeit mußte, beeilte sich, daß er noch den "Arbeiterzug nach Kassel" erreichte oder zeitig genug an Ort und Stelle war. Aber trotz aller Arbeit fand man hin und wieder abends noch ein wenig Zeit, auf der Haustreppe oder, wenn es draußen kühl wurde, in der Küche vor dem flackernden Herdfeuer ein "Dämmerstündchen zu machen". Da wurden die Neuigkeiten des Dorfes besprochen, daß d's Liese schon wieder ein Kind erwartete und daß d'r Henner nen "riches Burschmächen" (eine reiche Bauerntochter) üss Mäljershüsen hatte. Auch bei den Vereinsbällen und der Kirmes ging es stets "hoch her", denn nach der harten Arbeit hatte man ein Recht auf ausgelassene Freude und manchen derben Scherz. In den Spinnstuben der Winterszeit wurde nicht nur gesponnen und wenn im Januar die neuen Dienstmädchen zu den Bauern kamen, herrschte lange Zeit eine erhebliche Unruhe unter den jungen Burschen des Dorfes. Es blieb nichts lange geheim und keine Liebschaft verborgen. Oft brauchte man nur den "Schewwenwegen", später den Spuren aus Sägemehl zu folgen, um zu wissen, wer etwas mit wem hatte. Es war ein Jux, den sich Burschen und auch Mädchen machten und für den sie einige Nachtstunden opferten. Manche Spuren führten vom "Engerdorfe" bis in den "Katzenbach" oder von der "Kakau" bis ins "Millionenviertel", andere aber nur bis zum Nachbarhaus.
Welchen Schreck bekam dann die Mutter einer gerade 16 gewordenen Tochter, wenn sie diese Spuren entdeckte. Wie wetterte der Vater eines Bauernsohnes, dem man (oft aus reinem Schabernack) einen Weg zur Tagelöhnerstochter gestreut hatte.

chronik_s100m

Röhrenfurth um 1900 (Original von Fam. Holzhausen / Nödel)
 

chronik_s101orDie Schilderung dieser Zeit wäre unvollständig, wenn nicht auch die Gerätschaften erwähnt würden, die zur "Bewirtschaftung eines Ziegenbauernhofes" benötigt wurden. Neben dem unerläßlichen Handwagen, der je nach Anzahl der Ziegen und Schweine verschieden groß und schwer war, gehörte die Kötze zu den wichtigsten Utensilien. Sie war der Frau vorbehalten, die darin schnell noch etwas Gras für die Ziegen holen konnte, oder Disteln und "Blätter" für die Schweine oder Reisig und "Läsestäckel" für den Küchenherd. Auch das Kleinkind hatte darin Platz, wenn die Mutter zum Fruchtschneiden aufs Feld ging. War die Kötze schwer beladen, z. B. beim "Futterholen", gehörte viel Geschick dazu, mit der Last "auf die Beine zu kommen" und dann auch noch die Sense und den Rechen aufzuheben. Unterwegs zu rasten war kaum möglich; wie froh war man da, wenn ein Bauer die Kötze samt Trägerin auf seinem Wagen mit ins Dorf nahm.
Wichtig waren auch das "Orrelfäßchen" mit dem die Jauche aufs Feld gefahren und der "Soddenschäpper" mit dem das Fäßchen gefüllt wurde. Ein "Joch" gehörte ebenfalls zur Ausrüstung. Das Joch legte man über beide Schultern, hängte zwei Eimer an die an beiden Seiten befestigten Ketten und konnte so zwei Eimer mit Wasser leicht tragen. Das kam einem zugute, wenn die Krautpflanzen im Feld "gelecket" (gegossen) oder "flüssig" gedüngt werden mußten. Mistgabel, Misthaken, Holzrechen, eine Sense zum Grasmähen, eine mit Reff zum Getreidemähen, Hacken verschiedener Art, Sägen, Barten und Äxte zum Holzmachen, Keile zum Spalten, eine Schnitzbank mit Schnitzmesser zur Herstellung und Reparatur von Rechen, Stielen usw. Ein Dreifuß mit Schusterwerkzeugen, um die Arbeitsschuhe selbst reparieren zu können, gehörte ebenfalls dazu.

In der Küche stand die "Mälchschlüder", die Milchzentrifuge, und das Butterfäßchen mit der Butterform, im Keller der "Solbertrog" zum Einpökeln der Rippen, Füße, Ohren und Knochen, des Specks, der mindestens handhoch sein mußte, aber auch des Schinkens des geschlachteten Schweins. Der Schinken und die "Schmahlzhütt" durften erst angeschnitten werden nachdem der Kuckuck das erstemal gerufen hatte. Wer ein eigenes Häuschen besaß, räucherte die Wurst in einer Räucherkammer auf dem Boden. Geräuchert wurde mit Buchensägemehl, bei Fichte oder Eiche hätte die Wurst nach Harz oder Lohe geschmeckt. Nicht vergessen dürfen wir den Backtrog und das Backbrett, denn das Brot wurde selbst gebacken und zwar ein Vorrat für mindestens zwei bis drei Wochen. Ein Gemeindebackofen stand noch bis etwa 1950 gegenüber der Einmündung der "Judengasse" in die Bachstraße, außerdem besaß fast jeder Bauernhof einen Backofen; der Bauer aber verlangte für die Mitbenutzung einen Tag Hilfe beim "Kartoffellesen". Geheizt wurde der Backofen mit Buchen- oder Obstbaumreisig und "Backeklewwern". Die Kohlen entfernte man mit einer "Ofenkratze" aus Holz, die restliche Asche mit einem an einen Stiel gebundenen nassen Strohwisch. War das Brot gar, trug es die Hausfrau auf dem "Backebräht" nach Hause und holte den Blechkuchen, der mit der Resthitze noch gar wurde. Zu ganz besonderen Anlässen schob man auch mal eine Gans, einen Hasen oder ein Ziegenlämmchen im gußeisernen Bräter dazu.
Ziegen hatte es "auf den Dörfern" schon immer gegeben. Bereits auf der Röhrenfurth-Karte von 1615 ist unterhalb des Steinmals das Flurstück "Auf dem Ziegenlehen" vermerkt. Bis zum ersten Weltkrieg stand ein Ziegenpferch im Graben links der Schafshöhle (Bergstraße). Die Ziegenhaltung war ein sehr wesentlicher Faktor für die Ernährung, und der Ziegenzuchtverein, dem jeder Ziegenhalter angehörte, erhielt entsprechende Unterstützung, besonders für die Vatertierhaltung. In Erinnerung sind manchem der früheren Ziegenbauern sicher noch die "Zächenbocksbälle", das jährliche Tanzvergnügen des Ziegenzuchtvereins, bei dem stets überschäumende Fröhlichkeit herrschte, besonders dann, wenn ein Spaßvogel gegen Mitternacht den neu erworbenen Bock in den Saal führte.
War das die so oft zitierte "gute, alte Zeit"? Was die "Plackerei und Schinderei" anbetraf bestimmt nicht. Vielleicht erscheint mancheinem die damals so bescheidene Lebensweise, die nur aus der Not geboren war, als das für die heutige Zeit Erstrebenswerte. Oder war es die dörfliche Abgeschiedenheit, die — um es modern auszudrücken — jene menschliche Kommunikation möglich machte ? Oder die Sparsamkeit auch in den kleinsten Dingen, wo der als Verschwender galt, der die Pfeiffe mit einem "Schwefelholz" anzündete, wo doch an jedem Herd und Ofen die Fidibusse lagen.

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